Der Preisträger im Interview 

Der 29-jährige japanische Pianist Hayato Sumino erzählt, wie man klassische Musik mit der modernen Welt verbindet – und blickt voller Vorfreude seinem Debüt beim SHMF entgegen. 

Seit deiner Schulzeit veröffentlichst du auf YouTube als »Cateen« Musikvideos und hast inzwischen über 1,4 Millionen Follower. Inwieweit ist YouTube für dich eine zweite Bühne neben der Konzertbühne? 

Ich sehe YouTube als Ergänzung zur Konzertbühne. Es ist ein Raum, in dem ich auf eine Weise mit neuen Ideen experimentieren kann, wie es auf der Konzertbühne nicht immer möglich ist. Und ich kann mit Menschen in Kontakt treten, die noch nicht die Möglichkeit hatten, meine Live-Auftritte zu besuchen. Dementsprechend war besonders während der Pandemie YouTube eine großartige Plattform, da ich meine Musik mit einem weltweiten Publikum teilen konnte. 

Bei diesem Publikum kommt offenbar auch die Vermischung der Genres gut an – du spielst nicht nur klassische Werke, sondern auch Jazz, Pop und deine eigenen Kompositionen. Wie verortest du dich selbst als Künstler? 

Ich sehe mich in erster Linie als klassischen Musiker, aber ich strebe danach, mich von allen Arten von Musik in der heutigen Welt inspirieren zu lassen. Es ist unglaublich wichtig, die Tradition der klassischen Musik zu bewahren und gleichzeitig, sicherzustellen, dass die klassische Musik mit der modernen Welt verbunden bleibt. Wenn sie zu sehr isoliert oder als rein historische Kunstform wahrgenommen wird, besteht die Gefahr, dass die Kultur mit der Zeit schrumpft. Für unsere Generation ist es meiner Meinung nach wichtig, diese Verbindungen zu erforschen und die klassische Musik lebendig und relevant zu halten.

Spielt in der lebendigen Vermittlung klassischer Musik auch die Interaktion mit dem Publikum eine Rolle? 

Auf jeden Fall! Kunst lebt von der Verbindung zwischen Menschen und deshalb ist mir die Interaktion mit dem Publikum sehr wichtig. Wenn Musiker eine snobistische Haltung einnehmen, wie z. B. »nur diejenigen, die es verstehen, werden es zu schätzen wissen«, besteht meiner Meinung nach die Gefahr, dass die Kunstform mit der Zeit obsolet wird. Die Auseinandersetzung mit dem Publikum hilft, die Kluft zwischen Interpreten und Zuhörern zu überbrücken, und sorgt dafür, dass Musik relevant und für jeden zugänglich bleibt.

Du komponierst auch selbst. Welche Botschaften oder Gefühle möchtest du mit deiner Musik vermitteln?

Ich sehe Musik nicht als eine Möglichkeit, bestimmte Botschaften oder Gefühle zu transportieren. Vielmehr möchte ich die der Musik innewohnende Schönheit mit anderen teilen oder etwas Schönes, das ich erlebt habe, durch die Musik ausdrücken. Wenn ich Klavier spiele, kommen mir auf natürliche Weise unzählige Ideen, die ich mit anderen teilen möchte. 

Auch in der Royal Albert Hall kam dir eine spontane und schöne Idee: Bei einem Auftritt von dir hat ein Telefon im Publikum geklingelt und du hast spontan dazu improvisiert. 

Als das Telefon klingelte, habe ich instinktiv darauf reagiert – ähnlich wie ein Vogel auf den Ruf eines anderen Vogels reagieren würde. Da ich gerade dabei war, über ein Stück von George Gershwin zu improvisieren, war es vergleichsweise einfach, mich auf das unerwartete Geräusch einzustellen. Wenn ich etwas von Johannes Brahms oder Franz Schubert gespielt hätte, wäre die spontane Improvisation viel schwieriger gewesen. 

Im Sommer bist du zum ersten Mal zu Gast beim Schleswig-Holstein Musik Festival. Wie blickst du auf dein Debüt bei unserem Festival? 

Es ist mir eine große Ehre! Ich spiele Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 2 – ein Meisterwerk, das einen besonderen Platz in meinem Herzen einnimmt. Ich verbinde einen tiefen Respekt vor der Tradition mit einem frischen und sehr persönlichen Ansatz. Ich freue mich darauf, durch diese unglaubliche Musik mit dem bestimmt wunderbaren Schleswig-Holsteinischen Publikum in Kontakt zu treten.