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»Land & Wogen«

Niels W. Gade (1817-1890)

Als Brahms Ende März 1868 eine Woche lang mit dem Sänger Julius Stockhausen für drei Konzerte in Kopenhagen weilte, traf er auch mit dänischen Künstlern bei privaten Einladungen zusammen, wie am 23. März bei dem Schauspieler Lauritz Eckardt. Zu den Gästen gehörte auch der Dichter Hans Christian Andersen, der sich weigerte, eines seiner Märchen auf Deutsch vorzutragen, weil ihn Brahms’ schleswig-holsteinische Wurzeln zu sehr an die Niederlage Dänemarks von 1864 erinnerten. Für den nächsten Abend hatte Niels Wilhelm Gade zu Ehren von Brahms und Stockhausen eine Soirée organisiert, bei der der gebürtige Hamburger eine flapsige Äußerung über das Thorvaldsen-Museum machte, die den Kopenhagenern gar nicht recht war: Das Museum gefiele ihm »ganz außerordentlich. Schade nur, dass es nicht in Berlin ist.« Gegenüber seinem Kieler Freund Klaus Groth rechtfertigte sich Brahms kurze Zeit später, dass er dabei nicht an den deutschdänischen Konflikt gedacht hätte, sondern an die Menge Menschen, die den genialen Bildhauer Thorvaldsen in einer Großstadt wie Berlin sehen würden.

Gades Bekanntschaft mit Brahms war über politische Auseinandersetzungen erhaben. Eine gemeinsame Freundschaft verband sie auch mit Robert Schumann, den Gade in Leipzig während seiner vier ausgesprochen fruchtbaren und erfolgreichen Jahre ab 1844 kennen- und schätzengelernt hatte. Gade war zudem ein ausgesprochen begabter Dirigent – nicht ohne Grund hat man in Leipzig mehrfach versucht, ihn ans Gewandhaus zurückzuholen, wo er in unmittelbarer Nachfolge Mendelssohns für Furore gesorgt hatte. Doch dieser zog ein Leben in seiner Geburtsstadt Kopenhagen vor. Die »Fünf Gesänge« op. 13 komponierte der Däne vermutlich um 1846 in seiner Leipziger Zeit. Sie lassen den Einfluss der Vokalmusik eines Mendelssohns erahnen, der zu dieser Zeit wieder in die sächsische Musikmetropole zurückgekehrt war.

Vier der fünf Texte stammen aus der Feder des Lübecker Dichters Emanuel Geibel, der 1815 in der Hansestadt geboren wurde und dort 1884 starb. Dazwischen führte er ein bewegtes Leben in verschiedenen deutschen Städten und auf Reisen, zeitweise aber auch als Lehrer einer russischen Adelsfamilie in Athen. Nach seiner Rückkehr entschloss er sich, weder als Theologe noch als Gelehrter der klassischen Philologie seinen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern als Dichter leben zu wollen. Am 24. Dezember 1842 erhielt Geibel durch die Vermittlung des in Lübeck lebenden Kunsthistorikers Carl Friedrich von Rumohr vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV., wie vor ihm schon der Dichter Ferdinand Freiligrath, eine lebenslange Pension.

»Ritter Frühling« und »Im Wald« gehören zu Geibels Jugendgedichten, die er ab 1834 schrieb und in den »Liedern als Intermezzo« bündelte. Konkreter lässt sich die »Morgenwanderung« datieren: sie wurde in der Gedichtsammlung ediert, die er von 1838 bis 1840 in Athen verfasste.

- Selke Harten-Strehk

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